STEP 2035 – Große Auswirkungen auf Floridsdorf

Der Stadtentwicklungsplan 2035 wurde im Schnellverfahren und ohne Beteiligung von Bürger:innen vor der Wahl im Gemeinderat von SPÖ und NEOS durchgewunken. Wir haben analysiert, was das jetzt für Floridsdorf bedeutet.

Das Leitbild zeigt klar, dass das westliche Donaufeld – irreführenderweise als „Donaufeld Süd“ bezeichnet – verbaut werden soll.
Mit dem Lobautunnel, der – wissenschaftlich belegt MEHR Autoverkehr und MEHR Stau auf der Südosttangente verursacht – sind die Ziele der Mobilitätswende nicht erreichbar.
Das Grätzel Großjedlersdorf stärken ist positiv und wichtig, aber was ist mit den Siemensäckern und Neu-Leopoldau, wo tausende Menschen ohne funktionierender Grätzelinfrastruktur wohnen?
Der Beschluss des STEP2035 von SPÖ und NEOS unmittelbar vor der Wahl hat viele Floridsdorfer:innen enttäuscht – insbesondere jene, die sich eine behutsame Entwicklung im westlichen Donaufeld erhofft hatten. Gerade solche Entscheidungen zeigen, wie wichtig eine starke grüne Stimme für echten Klimaschutz und nachhaltige Stadtplanung ist.

Floridsdorf – Mai 2025. Der – ohne vorherige Bürger:innen-Beteiligung – kurz vor der Wahl im Gemeinderat beschlossene neue Stadtentwicklungsplan Wien 2035 (STEP2035) verspricht ambitionierte Ziele: Klimaschutz, leistbares Wohnen, Mobilitätswende und sozial durchmischte Stadtviertel. Für die bevölkerungsreichen und stark wachsenden Flächenbezirke wie Floridsdorf bleiben zentrale Herausforderungen, wie leistbares Wohnen ohne zusätzliche Bodenversiegelung, allerdings ungelöst. Ein kritischer Blick auf die Auswirkungen und Versäumnisse des STEP2035 aus Floridsdorfer Sicht.

Bürger:innen: nur Stimmvieh ohne Beteiligungsmöglichkeit?

Die neu-alte Stadtregierung hat in der letzten Gemeinderatssitzung vor der Wahl am 23. April 2025 den Stadtentwicklungsplan Wien 2035 beschlossen. Wir Floridsdorfer Grünen haben uns den Plan sehr genau angeschaut, setzt er doch auch für die Entwicklung von Floridsdorf wichtige Weichen für die kommenden 10 Jahre. Der Stadtentwicklungsplan dient als strategische Grundlage für Bezirksentwicklungsinstrumente wie Flächenwidmungsplan und Bebauungsplan, für die Grätzelentwicklung und die Arbeit der Gebietsbetreuung, sowie für die Verkehrs- und Energieversorgungsplanung.

Dass es sowohl NEOS als auch SPÖ mit der Bürger:innen-Beteiligung nicht so ernst nehmen, zeigt die Tatsache, dass es zum Entwurf des STEP2035 keine Partizipation gegeben hat. Echte Beteiligungsformate wie Bürger:innenräte hätten auch die leisen Stimmen sichtbar gemacht von jenen, die häufig übersehen werden – Mindestpensionist:innen, Alleinerzieherinnen, Migrant:innen. Sie halten die Stadt als Pizzaboten, Krankenpfleger:innen und Busfahrer:innen am Laufen, sind aber von der Klimakrise, neuen Stadtautobahnen, Zerstörung von Naherholungsgebieten, fehlende „Raus-aus-Gas“ Maßnahmen sowie fehlende Beschattung und Kühlung im Gemeindebau besonders betroffen.

Unsere Bewertung:
Minus für fehlende Bürgerbeteiligung

Ganzheitliche Strategie mit klarem Zielbild

Wir Floridsdorfer Grüne begrüßen, dass der neue STEP mehrere Fachstrategien zusammenführt und damit Synergien sichtbar macht. Die übergeordneten Grundsätze wie Klimaschutz, Ressourcenschonung, flächensparende Stadtentwicklung sowie die Förderung der „Stadt der kurzen Wege“ (STEP2035, S. 12ff) setzen klare Signale in die richtige Richtung.

Ebenso wird die Idee der „Wiener Gartenstraßen“ (S. 76) positiv gesehen – vor allem für dicht verbaute Gründerzeitgebiete. Allerdings: Warum nicht gleich jede Straße im innerstädtischen Bereich zu einer Gartenstraße machen?

Unsere Bewertung:
Plus für Gesamtstrategie und „die Richtung stimmt!“
Plus für „Wiener Gartenstraße“

Versäumt: Keine Aufarbeitung des STEP2025

Einer der größten Kritikpunkte: Eine fundierte Evaluierung des STEP2025 fehlt im neuen Plan. Welche Maßnahmen wurden umgesetzt, welche blieben auf der Strecke – und warum? Ohne diese Bilanz bleibt der neue Plan in Teilen ein visionäres Wunschkonzert ohne belastbare Grundlage. Aus einem ehrlichen Rückblick zur vergangenen Entwicklung können wir alle viel lernen – Fehler passieren, blöd ist nur wenn man aus Fehlern nicht lernt. Besonders die SPÖ hat als langjährige Stadtregierungspartei leider keine Fehlerkultur und sieht jede sachliche Kritik gleich als Majestätsbeleidigung. Wir Floridsdorfer Grünen anerkennen aber, dass in der politischen Diskussion eine sachliche Fehlerkultur sehr oft schwierig ist – eine externe Evaluierung durch die Wissenschaft wäre hier eine passende Lösung gewesen.

Unsere Bewertung
Minus für fehlende Evaluierung des STEP2025

Klimawandelanpassung: Kaum Maßnahmen

Ganz Wien und auch Floridsdorf werden immer heißer und werden ein Klima bekommen wie es jetzt schon in Skopje (Nordmazedonien) ist. Klimaanpassung wäre daher ein zentrales Thema, doch das Wort kommt im STEP2035 kaum vor. In den „10 Klimaprinzipien“ (S. 135) fehlt das Thema vollständig. Es fehlt ein konkreter Hitzeschutzplan, in dem etwa klimatisierte öffentliche Gebäude als Rückzugsorte ohne Konsumzwang für schützenswerte Gruppen (soziale Schwache, Pensionst:innen) während Hitzeperioden ausgewiesen werden.

Ebenso sucht man vergeblich nach Vorgaben zur Pflicht für Außenbeschattung im Bestand oder zur Planung von schattenspendenden Arkaden in Neubaugebieten. Dabei gilt in Zeiten des Klimawandels: „Kühlen ist das neue Heizen.“

Unsere Bewertung:
Minus für fehlende Klimawandelanpassung

Donaufeld: Stadterweiterung kontra Bodenschutz

Besonders kontraproduktiv ist aus Sicht von uns Floridsdorfer Grünen die geplante Entwicklung des westlichen Donaufelds als Stadterweiterungsgebiet (STEP2035, S. 61, irreführend als „Donaufeld Süd“ bezeichnet). Dabei handelt es sich um wertvollstes Ackerland in unmittelbarer Nähe zu hochverdichteten Wohnquartieren. Das Argument, dort sei bereits Infrastruktur vorhanden, kehrt sich ins Gegenteil: Der Anschluss an den Öffentlichen Verkehr darf nicht automatisch zur Bauverpflichtung führen – sonst wird jede Grünfläche zur Baulandreserve.

Die Grünen Floridsdorf fordern daher eine Änderung des STEP2035:

  • Streichung des westlichen Donaufelds als „prioritäres Stadterweiterungsgebiet“
  • Ausweisung als „Vorranggebiet Landwirtschaft Kategorie 1“ im Agrarstrukturellen Entwicklungsplan

Damit war schon in der Woche vor der Wien-Wahl klar: wer das westliche Donaufeld erhalten möchte, darf weder für die Neos noch für die SPÖ stimmen. Beide haben vor der Wahl der Verbauung des westlichen Donaufelds durch die Definition als Stadterweiterungsgebiet grünes Licht gegeben.
Mit uns Grünen in der Stadtregierung (2010 bis 2020) war vereinbart, dass es zu keiner weiteren Verbauung im Donaufeld kommt, solage nicht ein relevanter Teil des gewidmeten 33ha großen Grünraums im öffentlichen Besitz und damit öffentlich zugänglich ist. Das ist bis heute nicht der Fall.
Wir Floridsdorfer Grünen kämpfen weiter, weil zuerst im Gemeinderat der Flächenwidmungsplan im westlichen Donaufeld von Grünland in Bauland umgewidmet werden muss.

Unsere Bewertung:
Minus weil auch westliches Donaufeld bebaut werden soll

Mobilitätswende: Gute Ziele – zu wenig konkrete Maßnahmen

Das im STEP2035 angestrebte Ziel eines Modal Split von 85 % Umweltverbund bis 2035 (S. 36) ist ambitioniert, aber realitätsfern, solange die Maßnahmen nicht mitziehen:

  • Der Lobautunnel widerspricht dem Ziel drastischer Reduktion des motorisierten Individualverkehrs an der Stadtgrenze.
  • Querverbindungen im öffentlichen Verkehr – etwa zwischen 21. und 22. Bezirk – bleiben unterentwickelt. Der S-Bahn-Ringschluss Stadlau–Leopoldau–Floridsdorf (die Bahngleise sind schon vorhanden!) wird nicht einmal erwähnt, obwohl er eine essenzielle Verbesserung darstellen würde.
  • „White Label“-Güterverteilzentren – sprich firmenneutrale Güterverteilzentren wie in Berlin – fehlen völlig, ebenso wie wohnortnahe Paketboxen, die den zunehmenden Paketdienstverkehr bündeln könnten. So baut jeder Paketdienstleister (Post, Amazon, DPD, etc.) sein eigenes Verteilzentrum und Paketboxen mit dem Effekt das sich der Verkehr vervielfacht. Effizienter Wirtschaftsverkehr geht anders!

Unsere Bewertung:
Minus für kontraproduktive und mutlose Verkehrsmaßnahmen die eine Zielerreichung verhindern

Stadtentwicklung: Wieso nur auf der grünen Wiese?

Die Nachverdichtung bestehender Quartiere mit guter Infrastruktur – etwa der Nordrandsiedlung – wird im STEP2035 kaum thematisiert. Stattdessen wird entlang der Brünner Straße gebaut – mit schlechter ÖV-Anbindung.

Auch die großen Neubauquartiere in Floridsdorf wie Siemensäcker oder Neu-Leopoldau sind nicht in bestehende Grätzlstrukturen eingebunden. Während das Donaufeld als neues Grätzl ausgewiesen wird (S. 94), wirken die anderen Projekte wie isolierte „Schlafstädte“. Es gleicht einer „Kindesweglegung“, wenn die Neubaugiebiete der letzten zehn Jahre nicht mehr als Grätzel entwickelt werden sollen. Am Beginn der Besiedelungsphase stellt die Stadt noch Ressourcen zur Verfügung, dann werden die Grätzel sich selbst überlassen. Das geht besser!

Unsere Bewertung:
Minus für`s Bauen auf der grünen Wiese statt Nachverdichtung bestehender Quartiere

Zentrenentwicklung: Großjedlersdorf braucht mehr als nur Stabilisierung

Das Quartierszentrum Großjedlersdorf (Nr. 28 im Plan, S. 94) soll laut STEP2035 lediglich „stabilisiert“ werden. Aus Sicht Floridsdorfs ist jedoch eine aktive Weiterentwicklung mit Aufwertung des öffentlichen Raums und besserer Verkehrsorganisation dringend notwendig – nicht zuletzt für das Leuchtturmprojekt Frauenstiftgasse.

Unsere Bewertung:
Plus/Minus für die „stabilisierende“ Grätzelentwicklung von Großjedlersdorf

Wärme- und Energiewende: Keine Zwischenziele, keine Steuerung

Zwar soll bis 2040 eine Dekarbonisierung erreicht werden (S. 109), doch quantitative Zwischenziele bis 2035 fehlen vollständig. Ohne klare Etappenziele – z. B. Reduktion des Gasanteils auf 15 % oder ein Mindestanteil erneuerbarer Fernwärme – ist eine wirkungsvolle Steuerung nicht möglich.

Unsere Bewertung:
Minus weil quantitative Zwischenziele für Wärme- und Energiewende fehlen

Bodenstrategie: Netto-Null-Ziel endlich auch für Wien

Die Stadt lobt sich für ihren niedrigen Bodenverbrauch im Bundesländervergleich. Doch das reicht nicht mehr. Die Grünen Floridsdorf fordern daher:

  • Ein Netto-Null-Bodenverbrauchsziel gemäß EU-Bodenstrategie 2050 auch für Wien
  • Eine verbindliche 3:1-Regel: drei Viertel des Wohnraumbedarfs durch Innenentwicklung, Leerstandsmobilisierung und Nachverdichtung, maximal ein Viertel durch Stadterweiterung

Unsere Bewertung:
Minus für fehlenden wirkungsvollen Bodenschutz

Fazit: Guter Rahmen, aber mutlose Umsetzung

Unsere Gesamtbewertung:
Der STEP2035 stellt richtige Fragen – aber bietet auf zentrale Zukunftsfragen keine ausreichenden Antworten. Und das spiegelt sich auch im Zeugnis wieder: acht mal Minus, ein Plus/Minus und ein Plus sind für eine lebenswerte Zukunft leider zu wenig.

Für eine positive Bezirksentwicklung von Floridsdorf bräuchte es:

  1. Eine ehrliche Evaluierung des STEP2025
  2. Zielgerichtete Maßnahmen, bspw. in der Mobilitätswende, um ambitionierte Ziele tatsächlich erreichbar zu machen
  3. Einen echten Schutz für Böden und Naherholungsräume wie das westliche Donaufeld mit einem Netto-Null-Bodenverbrauchsziel für Wien
  4. Eine klare Klimawandelanpassungsstrategie mit konkreten Maßnahmen
  5. Quantitative Zwischenziele für Wärme, Energie und Verkehr, um 2040 nicht überrascht festzustellen, dass das Ziel der Klimaneutralität nicht erreicht wird und es zu spät ist

Wir Floridsdorfer Grünen stehen bereit, unseren konstruktiven Beitrag zur positiven Bezirksentwicklung zu leisten. Aber nicht um den Preis wertvoller Böden und vager Visionen. Der STEP2035 muss nachgeschärft werden – mit mehr Realitätssinn, mehr Klimaschutz und mehr Fokus auf bestehende Potenziale im Stadtraum.

Stadtentwicklungsplan Wien 2035 https://www.wien.gv.at/pdf/ma18/wien-plan.pdf