Baum in Gefahr!
Sie sind wahre Wunder gegen Hitze, Klimakrise, Artensterben und schlechte Laune: Unsere Stadtbäume in Wien. Doch sie brauchen aufgrund von städtischen Stressfaktoren einen besonderen Schutz. Wir dokumentieren und hinterfragen in Floridsdorf daher alle Baumfällungen größeren Umfangs und haben ein Auge auf die Nachpflanzungen.
Neues Haftungsgesetz
Das neue Haftungsgesetz ist ein Meilenstein für Bäume im öffentlichen Raum. Damit werden Angstschnitte, bei denen Bäume ruinös zurechtgestutzt werden, ab sofort hinfällig.
Die neuen Haftungsbestimmungen wurden vom Nationalrat beschlossen und sind mit 1. Mai 2024 in Kraft getreten.
Nähere Informationen:
https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20240321_OTS0246/nationalrat-aenderungen-im-abgb-zur-loesung-haftungsrechtlicher-fragen-bei-baeumen-einstimmig-beschlossen
Siemensstraße
Anfang April 2024 erreichten uns Fotos von Anrainer:innen zu einem typischen „Angstschnitt“ in der Siemensstraße. Bei der Wohnhausanlage der Sozialbau wurden alle Bäume auf ein Minimum zurechtgestutzt.
Leider kommt es immer wieder vor, dass aus Angst vor den geltenden Haftungsbestimmungen Bäume ruinös zurechtgestutzt werden.
Jedleseer Aupark
Mit Schrecken haben Erholungssuchende festgestellt, dass im Aupark Jedlesee sehr viele Bäume abgeholzt wurden. „Eigentlich gleicht es einem Kahlschlag.“, stellt eine besorgte Anrainerin fest.
Die Stadt Wien hat in der Au vorbildlicherweise Informationszettel aufgehängt. Darin wird informiert, dass die Eschen von einem starken Pilzbefall betroffen sind und aus Sicherheitsgründen gefällt werden müssen.
Auf Nachfragen direkt beim Forstamt bekam die Anrainerin die zusätzliche Information, dass hier bereits zahlreiche Jungbäume anwachsen und sich der Wald so auf natürliche Weise erholt.
Die starke Auslichtung erzeugt derzeit dennoch bei vielen Erholungssuchenden ein irritierendes Gefühl.
Schloßhofer Straße / Freytaggasse
Februar 2024
Bei der BAfEP21 für Elementarpädagog:innen in der Freytaggasse wurde am 8. Februar 2024 die unglaubliche Anzahl von 108 Bäume am Rand und zwei großen Bäume in der Mitte gefällt. Grund ist die geplante Neuerrichtung der gesamten Bildungseinrichtung.
Obwohl die Fällungen durch den geplanten Neubau begründet sind, hat das enorme Ausmaß doch für großes Aufsehen gesorgt. Im Umweltausschuss am 19. März 2024 gab es zu den Fällungen eine Stellungnahme von der MA42. Im Bescheid gab es zu jedem Baum eine Begutachtung wie z.B. „stark abnehmende Vitalität“ oder „gefährdet die öffentliche Sicherheit“. Etliche Bäume wurden auch klassifiziert als „stehen im Weg, obwohl sie gesund sind.“
Es wurden entsprechend dem neuen Baumschutzgesetz Ersatzpflanzungen im Verhältnis 1:1 angeordnet. Das heißt, dass 110 Bäume nachgepflanzt werden müssen, der Großteil davon direkt vor Ort auf der Fläche der BAfEP.
Strengeres Baumschutzgesetz beschlossen
Jänner 2024
Die gute Nachricht: Das Wiener Baumschutzgesetz wurde verschärft. In der Sitzung des Wiener Landtags am 25. Jänner 2024 wurde es mit den Stimmen von SPÖ, GRÜNE und NEOS beschlossen und gilt rückwirkend ab dem 15. Jänner 2024.
Im neuen Baumschutzgesetz wurden beispielsweise die Abschlagszahlungen für Baumfällungen von EUR 1.090,– auf EUR 5.000,– erhöht, und auch die Strafen bei illegalen Fällungen auf bis zu EUR 70.000,– pro Baum angehoben. Außerdem wurde die nötige Qualität der Ersatzpflanzungen genauer definiert.
Jedleseer Straße
Jänner 2024
Anrainer:innen schlugen Alarm wegen einer völlig überraschenden Fällung des Altbaumbestandes. Am 14.1.2024 wurden in der Jedleseer Straße zwischen Frömmlgasse und Grabmayrgasse mehrere gesunde, kräftige und große Bäume umgeschnitten. Auf Ihr Nachfragen bekamen die Anrainer:innen keine bzw. keine zufriedenstellende Antwort von der Behörde.
Bei der Beantwortung unserer Anfrage in der Sitzung der Bezirksvertretung Floridsdorf wurde bekanntgegeben, dass ein gültiger Bescheid zur Fällung vorliegt und alle Bäume ihre „natürliche Altersgrenze“ erreicht hätten. Ersatzpflanzungen werden noch 2024 vor Ort erfolgen.
FultonStraße
Dezember 2023
Jene Bäume, die im Juni 2023 stark gestutzt wurden, sind ausnahmslos alle gefällt worden – und noch einige mehr.
Auf unsere Anfrage in der Bezirksvertretung gab es von der Fachdienststelle die Antwort, dass ein gültiger Bescheid zur Fällung vorliegt und alle Bäume ihre „natürliche Altersgrenze“ erreicht haben. Ersatzpflanzungen werden 2024 vor Ort erfolgen.
Schulcampus Hinaysgasse
November 2023
Das ist der letzte und einzige verbliebene Baum am Areal des ehemaligen Krankenhaus Floridsdorf.
Hier entsteht auf rund 10.000m² ein neuer Bildungscampus. Laut unseren beiden Anfragen in der Bezirksvertretung vor dem Baubeginn hätte der größere Teil des Altbaumbestandes erhalten bleiben sollen. Obwohl beim Abbruch des alten Gebäudes sämtliche Bäume vorbildlich geschützt wurden, gab es danach eine Fällung nach der anderen.
Der letzte verbliebene Baum wurde auch schon sehr stark zurechgestutzt, viel Freiraum für die Baumkrone bleibt da nicht mehr.
Franklinpromande
September 2023
In der Franklinpromande sind in den letzten vier Jahren insgesamt 23 Bäume gefällt worden, wie unsere Aktivistin Molly Wurth akribisch dokumentiert hat. In allen Fällen bedeutet das: Zuerst haben die Bäume einen letalen „Sicherheitsschnitt“ bekommen, und ein Jahr später wurden sie gefällt.
Ob es sich dabei jeweils um übertriebene Pflegemaßnahmen handelte, die der Baum nicht überlebt hat, oder um eine absichtliche Fällung in zwei Etappen, können wir nicht sagen.
Naturdenkmal Jedleseer Straße
Juni bis September 2023
Im Juni 2023 gingen bei uns sehr emotionale Beschwerden ein, weil die mächtige Esche in der Jedleseer Straße / Ecke Sinawastingasse radikal zurechtgeschnitten wurde. Dieser Fall erregte insoferne besonderes Aufsehen, weil es sich beim dem Baum um ein Naturdenkmal handelte. Anfang September 2023 wurde der Baum dann komplett gefällt.
Erst nachdem wir das medial thematisierten, gab es dazu im September in der Bezirksvorstehung durch den Bezirksvorsteher eine Erklärung: Nachdem im Juni 2023 bei einem Sturm ein großer Ast abgebrochen war, wurde sichtbar, dass die Esche innen hohl war. Im Zuge eines Sicherheitsschnitts durch die Feuerwehr wurden sämtliche Äste gekappt. Nach der Erteilung der offiziellen Bewilligung wurde der Baum endgültig gefällt.
Es erfolgt eine Nachpflanzung entsprechend dem Baumschutzgesetz. Der Baum, der nachgepflanzt werden muss, wird leider wieder viele Jahrzehnte brauchen, um die gleiche Substanz zur Entlastung des Mikroklimas zu entwickeln. Unser Appell, angesichts der Klimakrise mehr nachzupflanzen als laut Baumschutzgesetz vorgeschrieben ist, fand beim Bezirksvorsteher keine positive Ressonanz.
Floridsdorf hat jetzt noch insgesamt 12 Naturdenkmäler.
FultonStraße
Juni 2023
Radikale Baumschnitte sorgen in der Fultonstraße für Aufregung bei den Anrainer:innen. Es besteht die große Sorge, dass die Bäume das Zurechtstutzen nicht Überleben werden.
Leider zu recht: Sechs Monate später wurden alle zurechtgestutzen Bäume komplett gefällt.
Schulcampus Hinaysgasse
Februar 2023
Auf dem Areal des ehemaligen Krankenhaus Floridsdorf in der Hinaysgasse entstehen auf rund 10.000m² ein neuer Bildungscampus.
Laut unseren beiden Anfragen zur Bautätigkeit hätte der größere Teil des Altbaumbestandes erhalten bleiben sollen. Mittlerweile sind auf dem gesamten Areal innen nur zwei Bäume verblieben, und einer steht noch am Rand in der Hinaysgasse.
Nach unserer Information stehen die beiden Bäume auf einem Grundstück, das sich in Privatbesitz befindet. Angeblich wird der Campus um dieses Grundstück herum gebaut, weil der Besitzer nicht verkauft hat. Und genau das dürfte auch der Grund sein, warum diese Bäume erhalten bleiben und nicht auch gefällt wurden.
Widmung Werndlgasse
März 2023
Gerade einmal einen Tag war der neue Flächenwidmungs- und Bebauungsplan für die Siedlung Werndlgasse in der öffentlichen Auflage, schon rücken die Kettensägen an, um 15 große, alte Bäume zu fällen. Obwohl die neue Widmung noch gar nicht beschlossen war, wurde die gesamte Fläche für die geplanten Gebäude bereits vorsorglich gerodet. Für das Mikroklima im Grätzel sind diese Baumfällungen ein schwerer Verlust.
Ironie am Rande: Der Wohnbauträger, welcher seinen Investoren eine hohe Rendite durch Vermietung der geplanten Wohnungen verspricht, nennt sein Bauvorhaben „Baumstadt“.