Gute Böden brauchen mehr Schutz!

Am 9. Oktober luden der Grüne EU-Abgeordnete Tom Waitz und Gemeinderätin Heidi Sequenz zur Diskussionsveranstaltung „Landwirtschaft im Spannungsfeld zwischen Bodenverbrauch und Ernährungssouveränität“ ein.

V.l.n.r.: Martin Flicker (Vizepräsident Landwirtschaftskammer), Martina Follner (Biobäuerin), Tom Waitz (Grüner EU-Parlamentarier), Heidi Sequenz (Wiener Gemeinderätin) und Franz Ganger (Gärtnerei Ganger)
Voller Saal mit vielen Menschen
Landwirtschaft ist für Transdaubien ein wichtiges Thema. Dementsprechend groß war das Interesse.
Biobäuerin Martina Follner forderte, dass landwirtschaftliche Böden grundsätzlich in landwirtschaftlicher Hand bleiben müssen.
Aktuelle Broschüre
der österreichischen Berg- und Kleinbäuer:innen Vereinigung

Anlässlich des “Tags der Ernährungssouveränität” am 16.10.2023 veröffentlicht die ÖBV-Via Campesina Austria die Broschüre „Agrarökologie: Landwirtschaft und Ernährung der Zukunft. Neue Perspektiven und Wege“.

https://www.viacampesina.at/wp-content/uploads/2023/10/Agraroekologie_Landwirtschaft-und-Ernaehrung-der-Zukunft_Web.pdf

Landwirtschaft braucht Boden

Der Saal im Restaurant in der Donaustadt war brechend voll. Rund 50 Teilnehmer:innen folgten mit höchstem Interesse den Inputs am Podium.

Mit am Podium saßen neben Tom Waitz und Heidi Sequenz außerdem der Vizepräsident der Wiener Landwirtschaftskammer Martin Flicker, der auch als „Gurkengärtner“ aus Breitenlee bekannt ist, sowie Martina Follner, Biobäuerin aus Oberösterreich und Büroleiterin der Grünen Bauern und Bäuerinnen.

Moderatorin Heidi Sequenz leitet mit Zahlen zum Bodenverbrauch und zur Bedeutung von Boden in Österreich ein: 12ha werden täglich versiegelt, dabei brauchen wir insbesondere auch in der Stadt gesunden und unversiegelten Boden  gegen Hitze, als Wasserspeicher und zur Nahrungsmittelversorgung.

Martina Follner forderte, dass landwirtschaftliche Böden grundsätzlich in landwirtschaftlicher Hand bleiben müssen. „Gute Böden werden in Österreich nicht ausreichend geschützt, diese Böden dürfen nicht mehr verbaut werden, insbesondere Klasse 1-Böden“. Dennoch werden hochfruchtbare landwirtschaftliche Böden umgewidmet. In Wien kommt erschwerend hinzu, dass landwirtschaftliche Böden auch von Nicht-Landwirt:innen erworben werden dürfen. In allen anderen 8 Bundesländern ist der Rechtserwerb von landwirtschaftlichen Grundstücken nur möglich, wenn er dem allgemeinen Interesse an der Erhaltung eines leistungsfähigen Bauernstandes entspricht und der/die Erwerber:in das Grundstück im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebes selbst bewirtschaftet.

LK-Vizepräsident Martin Flicker weist auf den AGSTEP (Agrarstruktureller Entwicklungsplan) hin, in dem landwirtschaftliche Vorranggebiete festgehalten sind.  Die Landwirtschaftskammer will landwirtschaftliche Flächern jedenfalls erhalten, aber in vielen Fällen fehlt die Nachfolge. Eigentümer:innen sind mittlerweile nicht immer die Bewirtschafter:innen und wollen unter dem hohen Nutzungsdruck die Böden höherwertig vermarkten. Dadurch haben Bodenspekulanten vor allem längerfristig leichtes Spiel.
Er weist aber weiters darauf hin, dass in Wien zahlreiche Betriebe zum Aufbau von Bodenbonität beitragen: Humusaufbau, Grünbrachen etc.

Tom Waitz beleuchtete die Vulnerabilität unserer Nahrungsmittelversorgung anhand der Abhängigkeit von globalen Wertschöpfungs- und Lieferketten sowie Düngemittelimporten. Umso wichtiger ist es, unsere Versorgungssicherheit zu erhalten bzw. erhöhen. Dabei kann Österreich grundsätzlich stolz sein auf den im europäischen Vergleich hohen Anteil eigener Lebensmittel in hoher Qualität. Seit 2020 ist Österreich Netto-Exporteur von Bio-Lebensmitteln.
 „Wir verlieren jedoch Bodenfruchtbarkeit durch die Art, wie wir (agroindustrielle) Landwirtschaft betreiben – durch Erosion und instensive Bewirtschaftung“.

Angeregte Diskussion mit dem Publikum

In der Diskussion wird festgestellt, dass effektiver Bodenschutz in Österreich am Förderalismus scheitert, da viele Seiten von der Versiegelung finanziell profitieren: die Gemeinden durch Zuzug und Gewerbegebiete, Bauern und Bäuerinnen durch Umwidmungsgewinne, weiters die Bauwirtschaft und das Finanzministerium. Eine Zielgröße, die in Österreich immer wieder propagiert wird, ist, dass maximal 2,5 ha täglich versiegelt werden; doch das Ziel müsste eigentlich sein, dass gar nicht mehr versiegelt wird, sondern im Gegenteil Böden entsiegelt werden.

Eine wichtige Forderung von Viktor Schwabl, grüner Kubobmann in Favoriten und Experte für Bodennutzung in der urbanen Raumplanung, auf Wien-Ebene: die Bodenbonität muss in der Stadtentwicklungsplanung berücksichtigt werden – dazu gab es große Zustimmung. Demgemäß darf auch das Donaufeld, das die höchste Bodenfruchtbarkeit aufweist, nicht verbaut werden. Im AGSTEP ist das Donaufeld allerdings nicht als schützenswert enthalten.

Zum Abschluss sind sich alle Podiumsdiskutant:innen einig, dass bei einer klimagerechten Ernährungssicherung prioritär auf Regionalität, Saisonalität und Bioqualitätgesetzt sowie auf kleinerstrukturierte Landwirtschaft gesetzt werden muss. Denn die Klimaschäden und der Verlust von Bodenfruchtbarkeit  in der Landwirtschaft werden vor allem durch agroindustrielle Produktionsweise verursacht.

Weiterführende Links

Agrarstruktureller Entwicklungsplan (AGSTEP):
https://www.wien.gv.at/umwelt/wasserrecht/agrarwesen/agstep-2014.html

https://www.stadtlandwirtschaft.wien/betrieb/4325869/gaertnerei-flicker

https://www.genussfairteiler.at/hersteller/49-Axmann-Paul-Follner-Martina